1. Der Geschäftsführer einer GmbH ist neben der Gesellschaft “Verantwortlicher” im Sinne
der DSVGO.

2. Die Erhebung von Daten bei Dritten ist auch unter Geltung der DSGVO subsidiär zu einer
Erhebung beim Betroffenen, sofern dies für den Verantwortlichen nicht ausnahmsweise
unzumutbar ist.

3. Die Datenerhebung von Vorstrafen des Betroffenen ist nur unter den Voraussetzungen
des Art. 10 DSGVO zulässig.

4. Der immaterielle Schadensersatz nach den DSGVO hat keinen Strafcharakter.

OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Urteil vom 30. November 2021, Az.: 4 U 1158/21

URTEIL
In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

für Recht erkannt:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom
26.05.2021 – 8 O 1286/19 zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen der Kläger 76 % und die
Beklagten als Gesamtschuldner 24 %. Von den Kosten der Streithilfe trägt der Kläger
ebenfalls 76 %; im Übrigen trägt der Streithelfer seine Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 09.11.2021 auf 21.000,00 €
festgesetzt; ab dem 10.11.2021 auf 16.000,00 €.
G r ü n d e :
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2 i.V.m. 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I.
Der Kläger verlangt gesamtschuldnerisch von den Beklagten die Zahlung von
Schadensersatz wegen Verletzung seiner Rechte aus der DS-GVO. Der Streithelfer hatte im
Auftrag des Beklagten zu 2), dieser wiederum handelnd namens des Beklagten zu 1) eine
Recherche durchgeführt und hierbei u. a. Erkenntnisse über den Beklagten im
Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten gewonnen. Der Beklagte zu 1)
nahm dies zum Anlass, die vom Kläger beantragte Mitgliedschaft beim Beklagten zu 1)
abzulehnen, nachdem dessen Vorstandsmitglieder durch den Beklagten zu 2) über das
Ergebnis der Recherche unterrichtet worden waren.
Das Landgericht hat einen Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 € wegen des Verstoßes
gegen die DS-GVO durch die Beklagten für angemessen erachtet. Während der Kläger mit
seiner Berufung weiterhin die Zahlung des ursprünglich verlangten Schmerzensgeldes in
Höhe von insgesamt 21.000,00 € weiterverfolgt, haben die Beklagten und der Streithelfer
jeweils für sich selbstständige Berufungen mit dem Ziel der Klageabweisung eingelegt. Sie
haben aus unterschiedlichen Gründen bereits einen Haftungsgrund für nicht gegeben
angesehen. Nach Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2021
haben die Beklagten und der Streithelfer ihre Berufungen zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 9.11.2021 verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1.
Nach Rücknahme der Berufungen durch die Beklagten und deren Streithelfer steht ein
jeweils selbstständiger Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO durch die Beklagten
rechtskräftig fest. Sowohl der Beklagte zu 1) als auch der Beklagte zu 2) sind verantwortlich
im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO, denn Anknüpfungspunkt für einen Anspruch aus Art. 82
Abs. 1 DS-GVO ist zunächst die „Verantwortlichkeit“, die immer dann zu bejahen ist, wenn
eine natürliche oder juristische Person alleine oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke
und die Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheiden kann und
entscheidet (Gola, Bearb. Gola, DS-GVO-Kommentar, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rz. 48; Ambrock
ZD 2020, S. 429 – nach beck-online). Damit entfällt zwar in aller Regel die Verantwortlichkeit
weisungsgebundener Angestellter oder sonstiger Beschäftigter, für den Geschäftsführer, wie
es der Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt der Beauftragung des Streithelfers war, gilt dies
allerdings nicht.
Die Beklagten haben auch personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Ziff. 1 DS-GVO
verarbeitet. Denn nach Art. 4 Ziff. 2 DS-GVO fällt hierunter das Erheben und Erfassen von
Daten ebenso wie die Offenlegung durch Übermittlung oder das Abfragen sowie die
Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung.
Die in dieser Weise durch die Beklagten als Verantwortliche durchgeführte
Datenverarbeitung war unrechtmäßig. Dabei ist unerheblich, dass der Kläger seine
Einwilligung nur im Hinblick auf die Weitergabe seiner Daten zu werblichen Zwecken
ausdrücklich untersagt hat. Nach der Regelungsstruktur der DS-GVO ist jede Verarbeitung
personenbezogener Daten ohne aktiv erteilte Einwilligung rechtswidrig, es sei denn, es greift
einer der in Art. 6 DS-GVO genannten Rechtfertigungsgründe. Allerdings ist auch dies
vorliegend nicht der Fall, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat. Eine Rechtfertigung
nach Art. 6 Abs. 1f DS-GVO kommt vorliegend nicht in Betracht. Dabei bedarf es noch nicht
einmal der bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 f DS-GVO
erforderlichen Interessenabwägung, denn die im Ausspähen des Klägers liegende und dem
Beklagten zuzurechnende Datenverarbeitung war bereits nicht erforderlich. Der
Erforderlichkeitsgrundsatz ist ein Ausfluss des Zweckbindungsgrundsatzes im Sinne von Art.
5 Abs. 1 b DS-GVO, der der Ausfüllung und Konkretisierung im Einzelfall bedarf. Er darf zwar
nicht im Sinne einer zwingenden Notwendigkeit überinterpretiert werden, verlangt werden
muss indessen, dass die Datenverarbeitung zur Erreichung des Zweckes nicht nur objektiv
tauglich ist, sondern dass eine für die betroffene Person weniger invasive Alternative
entweder nicht vorliegt oder für den Verantwortlichen nicht zumutbar ist (Gola-Schulz, a.a.O.,
Art. 6 Rz. 20 m.w.N.). Dies war hier nicht der Fall. Dabei kann offenbleiben, ob nach § 2 Abs.
2 der Satzung des Beklagten zu 1) grundsätzlich nicht auch ehemaligen Straftätern oder
nicht einwandfrei beleumundeten Personen die Möglichkeit einer Vereinsmitgliedschaft – in
Abhängigkeit von der Art der zuvor begangenen Verfehlungen – zu gewähren wäre. Auch
wenn es danach gerechtfertigt wäre, extremistische politische Gesinnungen aus dem Verein
fernzuhalten oder Personen allein wegen eines gegen diese geführten Ermittlungsverfahrens
von vornherein auszuschließen, so hätte es vorliegend genügt, den Kläger zunächst zur
ergänzenden Selbstauskunft, gegebenenfalls Vorlage eines polizeilichen
Führungszeugnisses aufzufordern, nachdem dieser auch nach Behauptung des Beklagten
zu 1) von sich aus ein gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren angesprochen haben soll.
Die durch den Streithelfer abzuklärenden etwaigen Vorstrafen des Klägers verstoßen
darüber hinaus auch gegen Art. 10 DS-GVO, der die Verarbeitung personenbezogener
Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende
Sicherungsmaßregeln grundsätzlich nur unter behördlicher Aufsicht gestattet.
2.
Die unzulässige Datenverarbeitung durch die Beklagten zu 1) und 2) rechtfertigt einen
immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DS-VGO allerdings lediglich in der vom
Landgericht ausgeurteilten Höhe. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers in
der Berufungsbegründung der mündlichen Verhandlung vor dem Senat greifen nicht durch.
Im Einzelnen:
a)
Entgegen der Auffassung der Beklagten überschritt die Ausspähung des Klägers eindeutig
die Bagatellschwelle. Die Datenweitergabe mit den daraus resultierenden Folgen ging über
die reine Privatsphäre oder das Privatverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu
2) weit hinaus, denn nachdem dieser die Weitergabe der erhobenen Daten angeordnet hatte,
wurden die hieraus gewonnenen Ergebnisse den übrigen Vorstandsmitgliedern des
Beklagten zu 1) bekannt gegeben. Des Weiteren wurde dem Kläger die Mitgliedschaft im
Verein versagt, was zwar nicht unmittelbar zu wirtschaftlichen Einbußen geführt, aber sein
Interesse beeinträchtigt hat, als Autohändler auch durch die Mitorganisation der
Oldtimer-Ausfahrten auf sich aufmerksam zu machen. Des Weiteren musste der Kläger
subjektiv damit rechnen, dass die über ihn eingeholten Daten nicht lediglich an zwei
Vorstandsmitglieder gelangt sind und damit Details aus seiner Vergangenheit
möglicherweise in einem größeren Umfeld bekannt geworden sind.
Damit ist unabhängig von der Frage, wie glaubwürdig die Einlassungen des Klägers zu
seinen negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit DDR-Recht sind, die Schwelle zur
Bagatellverletzung überschritten und handelt es sich nicht um eine völlig unerhebliche
Beeinträchtigung.
Im Rahmen der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung sind auch i.R.d.
Art. 82 DS-VGO allgemein die Art, Schwere, Dauer des Verstoßes, Grad des Verschuldens,
Maßnahmen zur Minderung des den betroffenen Personen entstandenen Schadens, frühere
einschlägige Verstöße sowie die Kategorien der betroffenen personenbezogenen Daten in
die Erwägung mit einzubeziehen (vgl. Arbeitsgericht Düsseldorf, Urt. v. 05.03.2020 – 9 Ca
6557/18, juris, Rz. 104; Albrecht, Urteilsanmerkung in juris PR-ITR 19/20 vom 18.09.2020;
Pahl-Alibrandi, ZD 2021 „auch immaterieller Schadensersatz bei Datenschutzverstößen –
Bestandsaufnahme und Einordnung der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 82 DS-GVO, S.
241 – 247). Nach Erwägungsgrund Nr. 146 der DS-GVO soll der Begriff des Schadens im
Lichte der Rechtsprechung des EuGH weit und auf eine Art und Weise ausgelegt werden,
„die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht“. Nach dem
Effektivitätsprinzip (effet utile) ist insoweit – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch
eine abschreckende Sanktion nicht ausgeschlossen (Gola, a.a.O., Art. 82 Rz. 3 m.w.N.).
Dies bedeutet aber nicht, dass die Geldentschädigung zwingend „Strafcharakter“ haben
muss, sondern die Höhe des Anspruchs muss auf der Basis des Effektivitätsprinzips eine
abschreckende Wirkung haben (vgl. EuGH, Urteil vom 17.12.2015 – C 407/14 Rz. 44).
Vorliegend handelte es sich aber lediglich um einen einmaligen Verstoß, dass bei der
Beklagten regelhaft Daten über alle Antragsteller durch Einschaltung eines Detektivbüros
erhoben werden, hat der Kläger zu beweisen, die Beklagtenseite hat insoweit
unwidersprochen vorgetragen, dass frühere „Ausspähungen“ nur im Rahmen von
Arbeitsverhältnissen und zur Überprüfung konkreter Verdachtsmomente im Hinblick auf
Straftaten erfolgt sind. Ebenso wenig ist der Senat von den Darlegungen des Klägers im
Hinblick auf seine persönliche besondere Betroffenheit wegen vorheriger traumatischer
Erfahrungen seiner Familie im Rahmen des DDR-Regimes überzeugt. Weiter ist zu
berücksichtigen, dass nach den insoweit ebenfalls unwidersprochen gebliebenen
Ausführungen des Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2021 der
Beklagte zu 1) insoweit Konsequenzen gezogen hat, als er den Beklagten zu 2) von
sämtlichen leitenden Funktionen bei der Beklagten zu 1) u. a. wegen des
streitgegenständlichen Vorfalls ausgeschlossen hat. Umgekehrt ist allerdings zu Lasten der
Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich bei den erhobenen Daten mit Strafrechtsbezug
um besonders sensible Daten handelte, so dass insofern der Verstoß, auch wenn die über
den Kläger erhobenen Daten nicht weitergegeben worden sein sollten, hinreichend schwer
wiegt. In der Gesamtabwägung hält der Senat das bereits vom Landgericht ausgeurteilte
Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € für angemessen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen nimmt er auf die umfassende Abwägung in der angefochtenen
Entscheidung Bezug.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1; 100; 101; 269 ZPO. Die Kostenquote
berücksichtigt, dass die Beklagten nach Berufungsrücknahme die Kosten ihrer selbständigen
Berufungen zu tragen haben (Beschluss vom 09.11.2021). Der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10; 711; 713 ZPO. Die Revision war
nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der
Senat ist insbesondere bei der Bemessung des Schadensersatzes weder von nationalen
höchstrichterlichen, noch von europarechtlichen Vorgaben abgewichen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO und folgt den gestellten Anträgen.

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